Einmal die Woche werde ich brutal Jahrzehnte zurück geworfen – Zeitreise ist angesagt – Dienstag um 14.30h zappelt mein Opa ungeduldig hinter seiner Wohnungstüre und wartet auf mein Erscheinen. Eigentlich bin ich davon überzeugt, er steht schon um 13.30h im Flur … um nicht zu spät zu kommen. Das war schon zu Schulzeiten so. Es war Standard, dass die anderen Kinder vor der letzten Stunde schon grinsend darauf hin wiesen, dass mein lieber “Wiener Opa” – wie ich ihn immer schon nenne – bereits in der Vorfahrt steht und mir nervös in den 4. Stock zuwinkt … wenn ich zurückgewunken habe ging’s danach zu McDonalds 😉 In jedem Fall: ich liebe ihn heiß! Nach der Schule hat er mir meist die Welt erklärt – und in der Pubertät wusste ich dann sowieso alles besser … oft haben wir kreuzwortgerätselt und in die Röhre geguckt. Opa ist so einer, der vergisst auch schon mal welche Taste für den Teletext ist. Quasi Idealvorraussetzungen um ihm nun ein 1. Klasse Ticket im Düsenjet der digitalen Welt zu schenken…dachte sich mein Vater. So ist Opa seit 2015 Smartphonebesitzer, 4K Operngucker und hat schnelleres Wlan als ich – nicht, dass er es schon einmal benutzt hätte. Und jetzt? Naja, nun komme ich meinem unfreiwilligen Bildungsauftrag nach und schule ihn 1x die Woche im Umgang mit seiner Tech-Armee. Mit der Ausgangsituation, jedes mal 90% der letzten Einheit wiederholen zu dürfen. Man kann sich vorstellen, wir kommen besonders schnell voran. Doch an meine Grenzen kam ich vor kurzem, als er mich gefragt hat was denn mein Freund eigentlich arbeitet. “Opa,…” sagte ich “…das weißt du doch! Der Philipp hat eine Online Marketing Agentur!” und suchte auf seinem HTC die Klingelton Einstellungen. “Nein, ich mein Kind erklär mir das!” hat mein Opa geantwortet & es war wie bei TABU, wo man keines der nötigen Wörter verwenden darf. Unsere Ausgangslage war also Teletext & sein altes Nokia 3310 (nicht, dass es nach fast 20 Jahren kaputt gewesen wäre…). Also fand ich mich wild in seinem Wohnzimmer herumhüpfend wieder und verglich hektisch fuchtelnd alles mögliche mit Begriffen unserer digitalen Welt. Sein Gemeindebau war seine Homepage, die Wohnung soziale Medien und jedes Zimmer hat ein Fenster – also einen Newsfeed. Wirft er etwas aus seinem Wohnzimmerfenster war das ein Facebook Posting. Opa verstand, dass man Fotos oder VHS Kasetten rauswerfen kann. Oder er brüllt einfach in den Hof, dass die ZIB heute langweilig war – wenn Armin Wolf aus dem Fenster g’scheidelt kann Opa zurückkeppeln – und ALLE hören das (Opa grinst). Er weiß nun auch, dass Klingelstreiche wie Poken sind und seine Box mit Omas Rezepten wie eine Pinterest Wall. Die ist natürlich geheim. Geschichten erzählen heißt Bloggen und wenn er in der Straßenbahn jemanden anmault, wäre das ein Tweet. SEO wäre ein neongelbes Dach und je nachdem wie weit er seine Vorhänge zuzieht schränkt er die Sichtbarkeit für sein Profil ein. “Gesponserte Posts sind wie Plakate die man dir von außen auf die Fenster klebt!” kam ich langsam in Fahrt. “Wenn dein Weckerl beim Bäcker grauslich war, kannst du ihm das direkt auf die Wand schreiben! Und ALLE sehen das. Vielleicht bekommst du dann noch was gratis weil sie sich vor dir fürchten.” – Opa sagt das würde ihm gut gefallen! Dann musste ich langsam los. Beim Verabschieden fiel mir auf wie anstrengend das war und ich überlegte wie oft ich in Opas Wohnzimmer diesen Digital Dance nun noch vollführen muss. Ein paar Tage später bekomme ich eine Nachricht: “Hallo Marie Louise ich bin der Opa und ich hab das Whatsapp gekauft!”